Problem/Sachverhalt

Der Geschädigte wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich verletzt. Der Geschädigte beauftragt seinen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung einer Invalidenrente bei seiner privaten Unfallversicherung. Der Geschädigte verlangt nun Ersatz des Anwaltshonorars von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners i.H.v. rund 1.000,00 €.

Entscheidung

Der BGH entscheidet, dass dem Geschädigten auch die Anwaltskosten zu ersetzen sein können. Dazu muss der Sachverhalt durch das Oberlandesgericht näher aufgeklärt werden.

Ist wegen der Verletzung einer Person Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte

• Ersatz der erforderlichen Herstellungskosten (z.B. Kosten für notwendige Heilbehandlungen, Kur- und Pflegekosten),

• den entgangenen Gewinn (z.B. Verdienstausfall),

• bei Minderung oder Aufhebung der Erwerbsfähigkeit oder bei Vermehrung der Bedürfnisse eine Geldrente oder auch

• die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten ersetzt verlangen.

Dies betrifft jedoch nur solche Rechtsanwaltskosten, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Ist es danach aus Sicht des Geschädigten erforderlich, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, so gilt dies grundsätzlich auch für die Anmeldung des Versicherungsfalls bei dem eigenen Versicherer. Auch die dadurch anfallenden Rechtsverfolgungskosten können ersatzfähig sein, wenn sie ursächlich auf dem Schadensereignis beruhen und die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe unter den Umständen des Falles erforderlich war. Wenn allerdings der Geschädigte gegenüber seinem Versicherer eine Forderung geltend macht, die zwar nach den Versicherungsbedingungen begründet, vom Schädiger jedoch nicht zu ersetzen ist, weil es insoweit an einem Schaden des Geschädigten fehlt, muss geprüft werden, inwieweit diese Anwaltskosten dem Schädiger als Folgen seines Verhaltens zurechenbar sind. Im Vordergrund steht dabei das Interesse des Geschädigten an einer vollständigen Restitution. Im Falle der Verletzung einer Person ist die Grenze der Ersatzpflicht dort zu ziehen, wo die Aufwendungen des Geschädigten nicht mehr allein der Wiederherstellung der Gesundheit, dem Ersatz entgangenen Gewinns oder der Befriedigung vermehrter Bedürfnisse dienen. Diese Grenze kann also dort bestehen, wo der Geschädigte Kosten aufwendet, um von seinem privaten Unfallversicherer Leistungen zu erhalten, die den von dem Schädiger zu erbringenden Ersatzleistungen weder ganz noch teilweise entsprechen, z.B., da dem Geschädigten nach den Versicherungsbedingungen seiner Unfallversicherung ein Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung zusteht, insoweit jedoch ein Ersatzanspruch gegen den Schädiger nicht besteht. Die Anwaltskosten können jedoch auch erstattungsfähig sein, wenn es an einer derartigen Entsprechung zwischen der Leistung des eigenen Versicherers und dem vom Schädiger zu ersetzenden Schaden fehlt. Das ist z.B. der Fall, wenn der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden bei seinem Versicherer selbst anzumelden. Das kann zudem bei erheblichen Verletzungen der Fall sein, zum Beispiel, da sich der Geschädigte längere Zeit in stationärer Krankenhausbehandlung befindet. In solchen Fällen sind die Anwaltskosten von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zu ersetzen, auch wenn sie nicht dem vom Schädiger zu erbringenden Ersatzleistungen entsprechen.

Praxishinweis

Versicherer weigern sich immer wieder, Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, da sich der durch einen Unfall Geschädigte anwaltlich vertreten an seine eigene Unfallversicherung wendet, um dort Ansprüche zum Beispiel wegen Verminderung seiner Erwerbsfähigkeit geltend zu machen. Häufig fühlen sich die Versicherten insoweit überfordert. Sie wollen zudem – nachvollziehbarer Weise – nichts falsch machen, um den Versicherungsanspruch nicht zu gefährden, geht es doch oftmals auch um die wirtschaftliche Existenz des Geschädigten. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers will dann diese Anwaltskosten nicht ersetzen. Sie begründet dies damit, dass es an einer Entsprechung zwischen der Leistung des eigenen Versicherers und dem vom Schädiger zu ersetzenden Schaden fehle. Dem schiebt der BGH nun jedenfalls teilweise einen Riegel vor. Jedenfalls in den Fällen, in denen der Geschädigte zum Beispiel aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder aus sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden bei seinem Versicherer selbst anzumelden, hat der BGH nun entschieden, dass dann die Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten durch die gegnerische Haftpflichtversicherung gleichwohl zu ersetzen sind. Kann sich danach zum Beispiel ein Geschädigter wegen eines längeren Krankenhausaufenthaltes auf unbestimmte Zeit nicht selbst um die Geltendmachung und Wahrung seiner Ansprüche kümmern, so sind Rechtsanwaltskosten, die durch die Inanspruchnahme der eigenen Unfallversicherung oder sonstigen Versicherung entstehen, von der Haftpflichtversicherung des Unfallversicherers zu ersetzen.

 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Versicherungsrecht Prof. Dr. Jörg Schmidt, Schwerin