Wer trägt die Beweislast bei der Rückforderung einer "Vorauszahlung" des Versicherers?
Auch wenn der Versicherer auf einen behaupteten Einbruchsdiebstahl oder Raub lediglich eine "Vorauszahlung" auf die Schadenssumme leistet, trägt er in einem Rückforderungsprozess die Beweislast.*)
OLG Dresden, Beschluss vom 14.01.2020 - 4 U 1245/19
Problem/Sachverhalt
Der Versicherungsnehmer (VN) behauptet, in seiner Wohnung ausgeraubt worden zu sein. Der Versicherer (VS) zahlt dem VN eine "Vorauszahlung" i.H.v. 10.000 Euro. Später geht der VS von einem vorgetäuschten Versicherungsfall aus und verlangt Rückzahlung. Der VN bestreitet einen vorgetäuschten Versicherungsfall. Für den Erfolg der Rückforderung kommt es auf die Beweislastverteilung an.
Entscheidung
Dem VS steht kein Anspruch auf Rückzahlung gem. § 812 Abs. 1 Alt. 1 BGB zu. Der VS kann nicht beweisen, dass der Versicherungsfall vorgetäuscht war. Die vom VS hierzu angeführten Indizien reichen nicht aus. Es bleibt zwar z. B. im Dunkeln, weshalb der VS den Notruf erst ca. eineinhalb Stunden nach dem Überfall abgesetzt hatte. Der VN ist allerdings schwerbehindert und hatte nach seinen Angaben Pfefferspray ins Gesicht bekommen. Deshalb ist der geschilderte Zeitablauf "nicht so unplausibel". Insgesamt kann der VS keine Indizien darlegen, die für das Gericht die Vortäuschung einer Straftat als wahr erscheinen lassen. Der VN hat für alle vom VS geschilderten Indizien eine "noch plausible" Erklärung. Der VS trägt jedoch bei Rückforderungen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er ohne rechtlichen Grund geleistet hat (vgl. BGH, Urteil vom 13.06.2001 - IV ZR 237/00, IBRRS 2001, 0158; OLG Hamm, Urteil vom 11.12.2009 - 20 U 67/09). Dabei kommen dem VS im Rückforderungsprozess anders als dem eine Raub- oder Diebstahlsentschädigung beanspruchenden VN keine Beweiserleichterungen zugute (BGH, Urteil vom 14.07.1993 - IV ZR 179/92, IBRRS 1993, 0444). Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der VS die Zahlung als "Vorauszahlung" bezeichnet hat. Selbst wenn dies ein Vorbehalt wäre, dann wäre er so zu verstehen, dass der VS seine Zahlung nicht als Anerkenntnis verstanden wissen und die Wirkung des § 814 BGB ausschließen wollte, er sich also die Möglichkeit offenhalten wollte, das Geleistete gem. § 812 BGB zurückzufordern. Ein so verstandener Vorbehalt hindert weder die Erfüllungswirkung nach § 362 BGB, noch verändert er die Beweislastverteilung im Rückforderungsprozess. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der VS ausdrücklich zu erkennen gibt, dass er sich zum Grund der an ihn gestellten Forderung noch nicht abschließend äußern möchte.
Praxishinweis
Grundsätzlich muss der VN, der Leistungen wegen eines Versicherungsfalls geltend macht, die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs beweisen (z. B. BGH, VersR 1992, 349). Der VN genügt seiner Beweislast schon dann, wenn er Tatsachen beweist, die nach ihrem äußeren Bild mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme der versicherten Sache gegen den Willen des VN schließen lassen (BGH, VersR 1995, 909). Will der VS den Anspruch nicht gegen sich gelten lassen, kommt auch ihm eine Beweiserleichterung zugute. Es genügt, wenn er Tatsachen vorträgt und im Bestreitensfall beweist, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Raub oder Diebstahl nur vorgetäuscht ist (vgl. BGH, VersR 1992, 999). Kann der Richter nach diesem System den behaupteten Diebstahl nicht feststellen, obliegt dem VN der volle Beweis. Hier hatte der VS jedoch 10.000 Euro gezahlt, ohne dabei einen ausreichenden Vorbehalt für die Rückforderung zu erklären. Also trug der VS die Beweislast für einen nur vorgetäuschten Versicherungsfall. Versicherer sollten also genau auf den Inhalt ihrer Vorbehalte achten.
RA und FA für Bau- und Architekten- sowie Versicherungsrecht Dr. Jörg Schmidt, Schwerin