Frist für Befangenheitsantrag gegen Richter

Der Antrag einer Partei gegen einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit muss gem. § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO unverzüglich gestellt werden, andernfalls ist das Ablehnungsgesuch unzulässig.

OLG Hamburg, Beschluss vom 18.11.2021 - 6 U 170/09

ZPO § 44 Abs. 4 Satz 1, 2

Problem/Sachverhalt

In einem seit 2009 beim OLG Hamburg anhängigen, mittlerweile "berüchtigten" Berufungsverfahren beantragen die Bauherren zum wiederholten Mal, das Gericht wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, nachdem sie ebenfalls wiederholte Male versucht haben, den gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Das letzte Ablehnungsgesuch gegen das Gericht datiert vom 16.11.2021 und wird mit Beschlüssen des Gerichts vom 06.02.2020, 13.01.2021 und 01.02.2021 begründet.

Entscheidung

Das OLG verwirft den Befangenheitsantrag als unzulässig! Gemäß § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO ist ein Ablehnungsgesuch unverzüglich anzubringen. Wird ein Richter, bei dem sich die Partei in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, muss gem. § 44 Abs. 4 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht werden, dass der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder der Partei bekannt geworden ist. Die Bauherren begründen ihren Befangenheitsantrag damit, dass der Richter den gerichtlichen Sachverständigen trotz mehrfacher Anregungen nicht entpflichtet hat. Sie nehmen insoweit Bezug auf ein Schreiben des Sachverständigen vom 03.01.2020 und einen Beschluss des Gerichts dazu vom 06.02.2020. Das Schreiben und der Beschluss lagen damit den Bauherren mehr als ein Jahr und neun Monate vor, bevor sie das Ablehnungsgesuch vom 16.11.2021 verfassten. Auch der Befangenheitsantrag der Bauherren gegen den Sachverständigen vom 14.10.2020 war bereits mit Beschluss vom 13.01.2021 zurückgewiesen worden. Die Gegenvorstellung der Bauherren dagegen vom 28.01.2021 war bereits mit Beschluss vom 01.02.2021 zurückgewiesen worden. Auch das liegt mehr als neun Monate zurück.

Praxishinweis

Befangenheitsanträge gegen Richter sind selten erfolgreich (s. z. B. OLG Rostock, IBR 2020, 626, und die dazugehörige Leseranmerkung). Hier musste das Gericht die Frage der Begründetheit des Befangenheitsantrags nicht prüfen. Der Befangenheitsantrag war bereits unzulässig. Nicht rechtzeitig angebrachte Ablehnungsgesuche sind präkludiert. Eine Präklusion greift lediglich dann nicht, wenn der Ablehnungsgrund nicht bekannt war oder erst später entstanden ist. Das hat die Partei vorzutragen und glaubhaft zu machen, wofür nach richtiger Ansicht auch eine eidesstattliche Versicherung der Partei zulässig ist. Hier haben die Bauherren den Befangenheitsantrag erst viele Monate nach Bekanntwerden des angeblichen Befangenheitsgrunds gestellt. Grundsätzlich gilt für Ablehnungsgesuche, dass diese unverzüglich geltend zu machen sind. Sinn und Zweck der §§ 4344 ZPO ist es, zu verhindern, dass Ablehnungsanträge von einer Partei aus taktischen Gründen zur Verfahrensverzögerung erst dann gestellt werden, wenn sich im Verlauf des Verfahrens eine für sie ungünstige Verhandlungsposition ergibt (OLG Hamburg, Beschluss vom 25.02.2020 - 12 UF 27/19). Das gilt auch für Anträge gegen Sachverständige (z. B. OLG Naumburg, IBR 2012, 743, oder OLG Brandenburg, IBR 2010, 1356 - nur online).

RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Versicherungsrecht Dr. Jörg Schmidt, Schwerin