1. Ein Wohngebäude- und Hausratversicherer, der für die Sanierung eines Leitungswasserschadens ein Fachunternehmen auswählt, übernimmt damit grundsätzlich keine eigene Reparaturpflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer.*)
2. Der Versicherer schuldet in einer solchen Konstellation nur die ordnungsgemäße Auswahl eines geeigneten Unternehmens, er haftet hingegen nicht für behauptete weitere Schäden, die das ausgewählte Unternehmen bei Durchführung der Sanierungsarbeiten verursacht haben soll (Fortführung von OLG Nürnberg, Urteil vom 05.05.1994 - 8 U 597/94, NJW-RR 1994, 1512).*)
OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.03.2022 – 8 U 3825/21
BGB §§ 278,280 Abs. 1; VVG § 1
Problem/Sachverhalt
Der Versicherungsnehmer (VN) schließt beim Versicherer (VS) eine Hausrat- und eine Gebäudeversicherung auf Grundlage der Hausratversicherungsbedingungen (HRB) und der Wohngebäudeversicherungsbedingungen (WGB) ab. Am 17.07.2017 entsteht ein Leitungswasserschaden. Der VS benennt ein Unternehmen (U) für die Feuchtigkeitsmessung und Trocknung. Der VN macht geltend, dass durch die Arbeiten von U die Einrichtung des Hauses über den bereits regulierten Teil in Höhe von 2.050,00 € in Höhe weiterer 32.737,32 € beschädigt wurde.
Entscheidung
Der VN unterliegt auch vor dem OLG. Dem VN steht weder ein Erfüllungs- noch ein Schadensersatzanspruch gegen den VS zu. Es besteht kein Erfüllungsanspruch gemäß § 1 S. 1 VVG, Ziff. 12.1.2 HRB und 12.1.2. WGB über den Betrag von 2.050,00 € hinaus. Soweit Mitarbeiter des U die Küchenmöbel nicht eingelagert, sondern entsorgt hätten, ist das kein Versicherungsfall. Die „Entsorgung“ ist keine typische Leitungswassergefahr. Zudem ist ein Verschulden der Mitarbeiter des U dem VS nicht zuzurechnen (s.u.). Es besteht kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB oder §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 BGB. Der VS schuldet keine Naturalrestitution, sondern eine Entschädigung durch Geldzahlung. Beauftragt ein VS nach Eintritt des Versicherungsfalls einen U mit der Instandsetzung beschädigter Hausratgegenstände und Gebäudeteile, so handelt er dabei regelmäßig im Namen des VN. Ein VS will die Reparatur nicht als eigene vertragliche Verpflichtung und auf eigenes Risiko durchführen, sondern im Interesse des VN die Sanierung beschleunigen. So hat U sein Angebot an den VN und nicht den VS adressiert. Der VN hat das auf Grundlage dieses Angebotes erbrachte Werk entgegengenommen. Aus Sicht eines objektiven Empfängers war dies eine Vertragsannahme. Eine besondere Form war dafür nicht erforderlich. Mit der Instandsetzung beauftragte Unternehmer werden nicht im Pflichtenkreis des VS tätig; sie sind nicht seine Erfüllungsgehilfen, ihr Fehlverhalten ist dem VS nicht zuzurechnen. VS hat keine Überwachungspflicht für den U oder dessen Subunternehmer. Es stellt kein Auswahlverschulden dar, dass VS die Beauftragung eines Subunternehmers nicht unterbunden hat.
Praxishinweis
Das OLG hält die vom VN erhobene Feststellungsklage z.T. für statthaft. VN hatte den geltend gemachten „Handwerkerschaden“ teilweise auf der Grundlage von Kostenvoranschlägen beziffert und Nettobeträge eingeklagt. Gemäß § 249 Abs. 2 S. 2 BGB ist die Umsatzsteuer nur zu erstatten, wenn sie bei dem Geschädigten tatsächlich angefallen ist. Insoweit ist deshalb eine Feststellungsklage zulässig. Das gilt auch für Baustreitigkeiten, wenn z.B. nach der Abnahme Schadensersatz geltend gemacht wird, der Schaden aber noch nicht beseitigt worden ist. Dann kann und muss im Hinblick auf die Umsatzsteuer ein Feststellungsantrag gestellt werden.
gez. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau-, Architekten- und Versicherungsrecht Dr. Jörg Schmidt, Schwerin