Verjährung des Deckungsanspruchs des Architekten in der Berufshaftpflichtversicherung
1. Die Verjährungsfrist für Ansprüche der Architekten gegen die Berufshaftpflichtversicherung auf Deckung beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Bauherr gegen den Architekten ernsthaft Ansprüche wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern geltend macht.
2. Die Verjährung ist von der Anmeldung des Anspruchs bis zum Eingang der Ablehnung der Einstandspflicht gehemmt.
3. Der Begriff der verjährungshemmenden "Verhandlungen" ist weit auszulegen. Verhandlungen schweben bereits dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein. Notwendig ist ein zweiseitiger kommunikativer Prozess, sodass das Angebot zu Verhandlungen oder gar Vorschläge zu einem konkreten Entgegenkommen noch keine Verhandlung sind, wenn es bzw. sie unerwidert bleiben.
4. Ein verjährungshemmendes Stillhalteabkommen ist nur anzunehmen, wenn der Schuldner auf Grund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung berechtigt sein soll, vorübergehend die Leistung zu verweigern und der Gläubiger sich der Möglichkeit begeben hat, seine Ansprüche jederzeit weiterzuverfolgen.
5. Ein verjährungshemmendes Stillhalteabkommen kann auch "stillschweigend" durch zu würdigendes schlüssiges Verhalten getroffen werden. Hierfür muss ein äußeres Verhalten festgestellt werden, das nach §§ 133, 157 BGB als Ausdruck einer solchen einvernehmlichen Entschließung ausgelegt werden kann.
KG, Beschluss vom 13.01.2023 - 6 U 191/21
BGB §§ 133, 157, 195, 199, 203, 204; VVG a.F. § 12
Problem/Sachverhalt
Ein Auftraggeber verlangt anwaltlich vertreten vom Architekten (A) mit Schreiben vom 14.4.2008 Schadensersatz (mehr als 500.000,00 €). Seine Berufshaftpflichtversicherung (VS) lehnt die Deckung am 15.5.2009 und 2.10.2012 ab. A erhebt am 18.11.2013 Deckungsklage. Am Schluss der mündlichen Verhandlung am 19.12.2014 beraumt das Landgericht (LG) Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 13.2.2015 an. Das LG ordnet auf Antrag des A mit Zustimmung des VS am 30.1.2015 das Ruhen des Verfahrens an. Am 28.4.2015 und 31.3.2020 schreibt A VS an. Mit Schreiben vom 30.4.2020 lehnt VS die Deckung ab. VS erhebt die Einrede der Verjährung. Am 28.10.2020 beantragt A die Fortsetzung des Rechtsstreits. Das LG weist die Klage wegen Verjährung ab.
Entscheidung
Das KG beabsichtigt, die Berufung zurückzuweisen. Der Deckungsanspruch war am 28.10.2020 sogar gemäß § 195 BGB verjährt. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres der Fälligkeit des Anspruchs zu laufen, also nachdem der Gläubiger gegen den Versicherungsnehmer Haftpflichtansprüche ernsthaft geltend gemacht hat, hier mit Ablauf des 31.12.2008. Die Verjährungsfrist war für die Dauer bis zur Mitteilung des Ergebnisses der Leistungsprüfung, also bis spätestens zum 2.10.2012, gehemmt. Am 18.11.2013 wurde die Verjährungsfrist durch Klageerhebung gehemmt. Sie begann erneut 6 Monate nach dem Beschluss des LG vom 30.1.2015 über das Ruhen des Verfahrens zu laufen (§ 204 Abs. 2 S. 3 i.V.m. S. 1 BGB). Weder vorher noch hinterher gab es schwebende, zweiseitige Verhandlungen gemäß § 203 BGB. Zudem ist § 203 BGB nicht anwendbar, wenn die Verjährung bereits durch Rechtsverfolgung gehemmt ist. A hat kein Stillhalteabkommen bewiesen. Das Erheben der Einrede der Verjährung ist nicht treuwidrig. Die Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens ist kein Verzicht auf die Einrede.
Praxishinweis
Der Anwalt des A kann schadensersatzpflichtig und A im Ergebnis doch noch schadensfrei sein. Der Anwalt hat die Verjährungsfristen zu beachten und ggf. für eine weitere Hemmung der Verjährungsfrist zu sorgen. Durch das Anordnen des Ruhens des Verfahrens wird die Verjährungsfrist lediglich für 6 Monate nach dem Beschluss gehemmt. Dann beginnt sie erneut zu laufen (ebenso: LG Karlsruhe, Urteil vom 11.02.2009 - Az. 1 S 91/07). In Ausnahmefällen kann die Verjährungseinrede treuwidrig sein (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2001 – IX ZR 215/12).
gez. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau-, Architekten- und Versicherungsrecht Dr. Jörg Schmidt, Schwerin