1. Zur Eintrittspflicht des Privathaftpflichtversicherers wegen Baumfällarbeiten zwecks künftiger Nutzung einer derzeit stillgelegten Eissporthalle.*)
2. Angesichts der grundsätzlichen Einstandspflicht des Privathaftpflichtversicherers für alle Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und der Notwendigkeit, dem Versicherungsnehmer bestehende Lücken im Versicherungsschutz hinreichend zu verdeutlichen, dürfte einiges dafür sprechen, auch die in neueren Bedingungen als negative Tatbestandsmerkmale formulierten Ausnahmen für Beruf und Gewerbe als - in die Leistungsbeschreibung gekleidete - Risikoausschlüsse anzusehen.*)
OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.12.2023 - 5 U 50/23
Problem/Sachverhalt
Der Versicherungsnehmer (VN) will das Dach seiner ehemaligen Eissporthalle sanieren. In einem Ortstermin mit der Stadtgärtnerei wird geklärt, welche Bäume dazu im Umfeld gefällt werden dürfen. Es werden dennoch Bäume auf dem Grundstück der Stadt gefällt. Die Stadt verlangt dafür 13.254,35 Euro Schadensersatz. Die Privathaftpflichtversicherung (V) des VN, die die gesetzliche Haftpflicht aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson, nicht aus den Gefahren eines Betriebs, Berufs oder Nebenberufs deckt, verweigert die Deckung. Das Landgericht weist die Klage des VN ab.
Entscheidung
Die Berufung ist begründet. Der Schaden entstand nicht aus einem Betrieb oder Beruf. Ein durchschnittlicher VN kann unter den "Gefahren eines Betriebs" nicht jede Gefahr verstehen, die in Zusammenhang mit seinem Vorhaben steht, irgendwann einmal gewerblich tätig zu sein. Als die Bäume gefällt wurden, gab es in der Eissporthalle keinen Gewerbebetrieb. Zudem dienten die Baumfällarbeiten lediglich dazu, Sanierungsarbeiten am Dach der Eissporthalle zu ermöglichen. Der Erwerb oder die Sanierung der Halle zur eventuellen Vermietung/Verpachtung gehören zur privaten Vermögensverwaltung. Es verwirklichte sich keine Gefahr eines vom VN ausgeübten Berufs. Das Handeln des VN lag zu weit im Vorfeld einer als Beruf anzusehenden Tätigkeit als Vermieter/Verpächter. Es stand nicht einmal fest, ob der VN überhaupt einmal aus der Eissporthalle dauerhafte Einkünfte für seinen Lebensunterhalt erzielen würde. So hätte er die Halle vor oder nach der Sanierung verkaufen können. Da der VN also als Privatperson handelte, kommt es nicht darauf an, ob die Formulierung in den Versicherungsbedingungen "nicht aus den Gefahren eines Betriebs oder Berufs" noch Teil der primären Risikobeschreibung oder ein Risikoausschluss ist. Das Gericht tendiert zu Letzterem. Es liegt keine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls vor. Der (bedingte) Vorsatz muss sich auch auf die Herbeiführung des Schadens beziehen. Diesen muss V darlegen und beweisen. Es fehlt schon an der Darlegung. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass jemand, der sich vor dem Fällen von Bäumen im Bereich der Grundstücksgrenze nicht über den Grenzverlauf kundig mache, billigend in Kauf nehme, auch Bäume zu fällen, die nicht auf seinem Grundstück stehen, zumal es keinen Anscheinsbeweis für Vorsatz gibt (BGH, Urteil vom 04.05.1988 - IVa 278/86) und der VN den Ortstermin mit der Stadt vereinbarte, um zu klären, welche Bäume gefällt werden dürften.
Praxishinweis
Ob eine Risikobeschreibung oder ein Risikoausschluss vorliegen, bestimmt die Beweislastverteilung. Bei einer Risikobeschreibung (dafür z. B. OLG Köln, r+s 2016, 346) trägt der VN, bei einem Risikoausschluss (dafür z. B. OLG Oldenburg, VersR 2014, 1364) V die Darlegungs- und Beweislast für die Verwirklichung bzw. Nichtverwirklichung eines beruflichen Risikos. Nach dem OLG Saarbrücken kann ein durchschnittlicher VN bei der Formulierung "nicht aus den Gefahren eines Betriebs oder Berufs" nicht klar erkennen, dass die Deckung auf sein zweifelsfrei privates und zugleich nachgewiesenermaßen nicht betriebliches/berufliches Risiko beschränkt ist. Zudem muss der durchschnittliche VN nicht damit rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (z. B. BGH, Urteil vom 17.09.2003 - IV ZR 19/03, IBRRS 2003, 2656).
RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Versicherungsrecht Dr. Jörg Schmidt, Schwerin