(Unerhebliche) Antragsfrage falsch beantwortet: Versicherung muss nicht zahlen!
1. Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung wegen der Falschbeantwortung einer Antragsfrage (hier: zur Abgabe einer Vermögensauskunft) liegt auch dann vor, wenn der Versicherungsnehmer diese falsch beantwortet, weil er den erfragten Umstand für unerheblich hält.*)
2. Die Berufung auf Treu und Glauben trotz einer arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer kommt nur dann in Betracht, wenn die Täuschung nur einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft und weitere Billigkeitsmomente zu Gunsten des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen sind.*)
OLG Dresden, Beschluss vom 18.04.2024 - 4 U 67/24
BGB § 242; VVG § 28
Problem/Sachverhalt
Der Versicherungsnehmer (VN) verlangt von seiner Kaskoversicherung (V) 10.000 Euro wegen des Diebstahls eines Quads. Gemäß den auf den Vertrag anwendbaren E.1.1.3 AKB ist vereinbart: "Sie müssen unsere Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses, zum Umfang des Schadens und zu unserer Leistungspflicht wahrheitsgemäß und vollständig beantworten." V befragt den VN telefonisch. Auf die Frage, ob der VN die Vermögensauskunft - aufgeführt ist auch die Nichtabgabe der beantragten Vermögensauskunft - abgegeben habe, antwortet der VN: "Nein. So etwas habe ich nicht". Auf die Frage, warum die Finanzierung des Kaufs durch eine andere Person erfolgte, antwortet der VN: "Ich wollte einfach keine Finanzierung haben. Ich mag das nicht." und an anderer Stelle "Es ist richtig, dass ich bei Banken o. Ä. keinen Kredit erhalten hätte." Das zugesandte Protokoll der V über den Inhalt des Telefonats mit Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG unterschreibt der VN. Im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts ist die Nichtabgabe der Vermögensauskunft durch den VN vermerkt. V versagt den Versicherungsschutz. Das Landgericht weist die Klage des VN ab.
Entscheidung
Das OLG erteilt den Hinweis, die Berufung des VN gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisen zu wollen. V ist gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG leistungsfrei. Der VN hat im Zusammenhang mit der Antwort zur Nichtabgabe der Vermögensauskunft vorsätzlich eine Obliegenheit verletzt. Der VN hat auf die Frage der V vorsätzlich verschwiegen, dass er die Abgabe der Vermögensauskunft verweigerte. Zwar trägt V die Beweislast für den Vorsatz, der VN muss jedoch die zur Obliegenheitsverletzung führenden Umstände, die seiner Sphäre angehören, also die Gründe für objektive Falschangaben, nachprüfbar dartun (OLG Gelle, Urteil vom 30.11.2017 - 8 U 27/17). Die Frage war eindeutig. Der Kläger hat auch nach der Übersendung des Protokolls trotz der ihm damit eröffneten erneuten Möglichkeit zur Richtigstellung das Protokoll unterzeichnet. Das Verschweigen war arglistig. Arglist liegt vor, wenn der VN bewusst und willentlich auf die Entscheidung der V einwirkt, wenn er also vorsätzlich eine Obliegenheit verletzt und dabei bewusst gegen die Interessen der V verstößt, weil er damit rechnet, dass seine Obliegenheitsverletzung Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Leistungspflicht der V oder deren Umfang hat oder haben kann. Es ging dem VN mit seinen widersprüchlichen Angaben an unterschiedlichen Stellen zu den Fragen, warum die Finanzierung durch eine andere Person erfolgte und nach der Vermögensauskunft darum, die Regulierung zu beschleunigen und weitere Nachforschungen hinsichtlich seiner finanziellen Situation zu vermeiden. Eine zulässige und eindeutig verständliche Frage hat er auch dann zu beantworten, wenn er den erfragten Umstand für sich als unerheblich ansieht. Aufgrund der Gesamtumstände ist das OLG überzeugt, dass es dem Kläger gerade darauf ankam, dass die Täuschung Einfluss auf das Regulierungsverhalten der Beklagten haben konnte. Die völlige Leistungsfreiheit der V ist auch nicht unbillig. Nur unter ganz besonderen Umständen ist der V nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die völlige Leistungsfreiheit als rechtsmissbräuchlich zu versagen, wenn der Verlust des Versicherungsschutzes für den VN eine übermäßige Härte darstellt. Derartige Umstände sind nicht vorgetragen.
Praxishinweis
Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach eine bewusst unrichtige Antwort des VN auf eine von V gestellte Frage immer und nur in der Absicht erfolge, den Willen der V zu beeinflussen. Dennoch sollte jeder VN - auch nach seiner Ansicht unerhebliche Fragen - vollständig und richtig beantworten. Andernfalls steht stets Arglist im Raum. Bei Arglist des VN ist die Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG entbehrlich (BeckOK VVG/Marlow, 22. Ed., 01.02.2024, VVG § 28 Rz. 226) und die Frage, ob die Verletzung der Obliegenheit für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls oder für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war, unerheblich (§ 28 Abs. 3 Satz 2 VVG). Versicherungsnehmer sollten also im Versicherungsfall vor jeder Unterschrift unter ein Protokoll der Versicherung das Protokoll sorgfältig prüfen.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau-, Architekten- und Versicherungsrecht Dr. Jörg Schmidt, Schwerin