Abrechnung direkt mit der Versicherung vereinbart: Auftraggeber ist nicht "aus allem raus"!
1. Der Auftraggeber einer Werk- oder Bauleistung wird nicht deshalb von seiner Pflicht zur Zahlung des vereinbarten Werklohns frei, weil er mit dem Unternehmer vereinbart hat: "Der Auftraggeber tritt hiermit seine Versicherungsansprüche gegen nachstehenden Versicherer aus dem Schadensfall in Höhe des Werklohnanspruchs für die zu erbringenden Dienstleistungen an den Unternehmer ab, der die Abtretung annimmt. Der Unternehmer ist berechtigt, die erbrachten Leistungen direkt mit der Versicherung unter der o. g. Schadensnummer abzurechnen. Die Abtretungsvereinbarung bezieht sich auf die Höhe der vom Versicherer freigegebenen Dienstleistung. Soweit der Versicherer den Gesamtrechnungsbetrag aufgrund einer Unterversicherung oder einer Vorsteuerabzugsberechtigung nicht reguliert, wird dieser Differenzbetrag vom Auftraggeber ausgeglichen."
2. Auch wenn in einem Vertragsformular die auszuführenden Arbeiten nicht konkret beschrieben werden, ist der Werkvertrag wirksam, wenn die zu erbringenden Werkleistungen jedenfalls im Nachhinein im Einzelnen vereinbart werden.
OLG Koblenz, Urteil vom 23.07.2024 - 3 U 245/24
BGB §§ 133, 157, 305c, 364, 631
Problem/Sachverhalt
Das Gebäude des Auftraggebers (AG) wird vom Ahr-Hochwasser beschädigt. Der AG unterschreibt einen Bauauftrag für den Unternehmer (U). Unter der Überschrift "Auftrag und Abtretungserklärung" finden sich die in Leitsatz 1 zitierten Klauseln. U stimmt die konkret auszuführenden Arbeiten mit dem Versicherer (V) ab. U führt die Arbeiten aus. Sein Werk wird abgenommen und ist mangelfrei. V bezahlt nur einen Teil der geprüften Schlussrechnung des U. Der AG meint, U müsse sich wegen der fehlenden Zahlungen an V halten. Das Landgericht weist die Zahlungsklage des U gegen den AG ab. Der AG sei nicht passiv legitimiert.
Entscheidung
Das OLG verurteilt den AG durch Grundurteil zur Zahlung. Zur Höhe fehlt eine erforderliche Beweisaufnahme. Der AG ist Vertragspartner des U. Der Werkvertrag ist wirksam. Zur Begründung ist auf Leitsatz 2 zu verweisen. Der AG ist durch die Abtretungsklausel nicht von der Pflicht zur Zahlung des Werklohns frei geworden. Denn diese vertragliche Regelung ist als Abtretung erfüllungshalber zu verstehen, nicht als eine den Beklagten befreiende Abtretung an Erfüllungs statt. Das ergibt die Auslegung des Vertragstextes (Leitsatz 1). Wortlaut, Interessenlage, Verkehrssitte und Gesamtschau ergeben, dass die Abtretung keine Erfüllungshandlung (Abtretung an Erfüllungs statt), sondern eine Abkürzung des Zahlungswegs (Abtretung erfüllungshalber) beinhaltet. Zudem ist § 364 BGB ein allgemeiner Rechtsgedanke zu entnehmen, wonach die Abtretung eines gegen einen Dritten gerichteten Anspruchs an den Gläubiger eine Leistung erfüllungshalber ist (MüKoBGB/Fetzer, 9. Aufl., § 364 Rz. 9 m.w.N.). Die Klausel ist auch nicht intransparent (§ 305c Abs. 2 BGB). Sie regelt unzweideutig eine Abtretung erfüllungshalber. Der Werklohn ist fällig. Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung des Anspruchs gegenüber V ist die mit der Abtretung erfüllungshalber vereinbarte Stundung entfallen.
Praxishinweis
Die von den Parteien nicht thematisierte Frage, ob die Abtretungsklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung überhaupt wirksam war (wegen möglichen Verstoßes gegen das Transparenzgebot und wegen der fehlenden Erkennbarkeit, unter welchen Voraussetzungen der AG von U trotz Abtretung weiterhin aus dem Werkvertrag in Anspruch genommen werden kann und welche Rechte der AG im Zusammenhang mit der Abtretung hat), bedurfte keiner Entscheidung. Die Parteien hätten auch vereinbaren können, dass ein Rückgriff auf den AG nur zulässig ist, wenn die Durchsetzung der Forderung gegen V ausdrücklich "nicht möglich" war. Dann hätte U gegen V erfolglos klagen und zwangsvollstrecken müssen, bevor er den AG in Anspruch hätte nehmen dürfen (BGH, Urteil vom 23.01.2024 - VI ZR 357/22, IBRRS 2024, 1103).
RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Versicherungsrecht Dr. Jörg Schmidt, Schwerin