Keine Nutzung ohne Baugenehmigung!
1. Das Fehlen der Baugenehmigung rechtfertigt in der Regel die Nutzungsuntersagung.
2. Eine formell rechtswidrige Nutzung darf nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig bzw. bei verfahrensfreien Vorhaben offensichtlich zulässig ist.
OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.03.2025 - 1 MB 3/25
BauGB § 35, LBO-SH §§ 58, 80 Satz 2
Problem/Sachverhalt
Ein Betrieb für Sanitär/Heizung/Lüftung erwirbt im Außenbereich ein vormals landwirtschaftlich genutztes, bebautes Grundstück. Er beantragt einen Bauvorbescheid und erhält ihn, stellt aber zunächst keinen Bauantrag. Er nimmt das Grundstück in Nutzung: Büros, Lagerplätze innen und außen sowie Stellplätze. Der Bauvorbescheid erfasst nur einen Teil der genutzten Anlagen. Dann stellt der Betrieb einen Bauantrag, allerdings zunächst nur für die im Bauvorbescheid genannten Bestandteile des Grundstücks. Die zuständige Baubehörde untersagt die Nutzung des Grundstücks und ordnet die Räumung von Lagerflächen und die sofortige Vollziehung an. Der Betrieb legt Widerspruch ein und beantragt im einstweiligen Verfahren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Das Verwaltungsgericht lehnt den Antrag ab. Dagegen erhebt der Betrieb Beschwerde.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Gemäß § 58 Abs. 2 LBO-SH hat die Bauaufsichtsbehörde bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Dazu kann sie die Nutzung untersagen. Ist das Bauvorhaben formell illegal, rechtfertigt schon allein das die Nutzungsuntersagung. Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass eine formell rechtwidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise dann nicht untersagt werden darf, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig bzw. bei verfahrensfreien Vorhaben offensichtlich zulässig ist, jedoch liegt ein solcher Fall nicht vor. Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit liegt nur vor, wenn die Bauaufsichtsbehörde ohne weitere Ermittlungen erkennen kann, dass die bauliche Anlage und ihre Nutzung dem öffentlichen Baurecht entsprechen, es muss geradezu handgreiflich sein und keiner näheren Prüfung bedürfen, dass der vom Bauherrn gewünschte Zustand dem öffentlichen Baurecht vollständig entspricht. Ein Bauantrag muss gestellt sein. Der Betrieb hat zwar einen Bauantrag gestellt, inzwischen auch einen, der alle Anlagen erfasst, es ist jedoch nicht handgreiflich, dass der Zustand dem öffentlichen Baurecht vollständig entspricht. So steht die Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde zu den beantragten Stellplätzen offen. Es fehlt eine schlüssige Darstellung der Standortwahl für 20 Stellplätze zur Prüfung durch die Untere Naturschutzbehörde. Auch betriebliche Schwierigkeiten des Betriebs für die Suche nach Zwischenlagern etc. rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Betrieb trägt das wirtschaftliche Risiko der baurechtswidrigen Nutzung. Die drohende Insolvenz des Betriebs ändert nichts, da ein gesetzesuntreuer Bürger, der keinen Bauantrag stellt, keine Nutzungsvorteile gegenüber einem Bürger erhält, der das erforderliche Genehmigungsverfahren betreibt.
Praxishinweis
Ein Vorbescheid bestätigt lediglich die bauplanungsrechtliche, nicht aber die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens, ist eben keine Baugenehmigung. Eine solche muss zum Beginn der Nutzung vorliegen. Andernfalls droht die Nutzungsuntersagung. Der Eigentümer soll durch die Nutzungsuntersagung zu einem Bauantrag bewegt werden. Hat er den Bauantrag bereits gestellt, hilft ihm das aber auch nur, wenn dieser offensichtlich zu genehmigen ist. Das ist in der Regel erst zum Ende eines Bauantragsverfahrens beurteilbar, da beispielsweise die Gemeinde oder auch die Untere Naturschutzbehörde ihr Einvernehmen geben müssen.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Versicherungsrecht Dr. Jörg Schmidt, Schwerin