Leistungspflicht des Gebäudeversicherers auch bei Sowieso-Kosten?

1. Der Versicherer kann sich der Leistungspflicht in der Gebäudeversicherung nicht mit dem Einwand entziehen, der Schaden wäre auch aufgrund einer "Reserve-Ursache" entstanden. Der Einwand, es habe sich bei Abriss- und Aufräumkosten um Sowieso-Kosten gehandelt, da das Gebäude auch ohne das versicherte Ereignis eingestürzt wäre, ist unerheblich.*)
2. Besteht nach Eintritt des Versicherungsfalls Streit über die Leistungspflicht des Versicherers, kann der Versicherungsnehmer auf Feststellung der Erstattungspflicht klagen.*)

OLG Dresden, Urteil vom 04.02.2020 - 4 U 1942/18

ABL 2015 §§ 4, 9, 14

Problem/Sachverhalt

Der Versicherungsnehmer (VN) verklagt die Versicherung (VS) nach einem Sturmereignis auf Zahlung, hilfsweise auf Feststellung der Zahlungspflicht, i.H.v. 47.481 Euro für Abriss- und Aufräumkosten für ein ungenutztes Gebäude. Die VS meint, dass das Gebäude sowieso wertlos sei und daher die Abriss- und Aufräumkosten Sowieso-Kosten seien. Nach den Versicherungsbedingungen bestehe eine Leistungspflicht zudem nur für tatsächlich entstandene Aufwendungen. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage sei mangels gegenwärtigen Rechtsverhältnisses und Feststellungsinteresses unzulässig.

Entscheidung

Der Zahlungsantrag wird als derzeit unbegründet abgewiesen. Der VN hat den Abbruch und Abtransport der Gebäudeteile bislang entgegen den Versicherungsbedingungen weder beauftragt noch durchführen lassen. Der Feststellungsantrag ist begründet. Das OLG geht von einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 ZPO aus. Denn die Grundlagen des Anspruchs sind nicht erst mit Beauftragung des Abbruchs/der Aufräumung, sondern bereits nach Eintritt des Versicherungsfalls gegeben. Andernfalls hätte ein VN, der nicht über die erforderlichen Mittel zur Finanzierung des Gebäudeabrisses verfügt, keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die ablehnende VS. Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht, da die VS die (derzeitige und künftige) Erstattung der Kosten unter Hinweis auf "Sowieso-Kosten" abgelehnt hat und eine Zahlungsklage derzeit mangels tatsächlicher Kosten für Abriss und Aufräumung erfolglos ist. Die VS kann dem VN nicht entgegenhalten, dass das Gebäude sowieso eingestürzt wäre. Solche "Reserve-Ursachen" sind unerheblich. Die Frage von Sowieso-Kosten betrifft das hier nicht einschlägige Schadensersatzrecht. Es geht um einen versicherungsvertraglichen Anspruch. Die Regelungen im Versicherungsvertrag sind so zu verstehen, dass zwischen dem eingetretenen Versicherungsfall und den entstandenen Aufwendungen ein direkter Ursachenzusammenhang bestehen muss. Weitergehende Einschränkungen im Hinblick auf die Kausalität bestehen nicht. Somit ist kein Ausschluss von Sowieso-Kosten geregelt. Zudem kann die VS trotz Einholung eines gerichtlichen Gutachtens nicht beweisen, dass es sich um Sowieso-Kosten handeln würde.

Praxishinweis

Es ist stets zu betonen, dass Versicherungsrecht Bedingungsrecht ist. Unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Versicherung leisten muss, ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag. Bei Gebäudeversicherungen sehen die Bedingungen vor, dass der VN nicht lediglich fiktiv auf Grundlage von ihm eingeholter Angebote abrechnen kann. Die Versicherungsbedingungen stellen auf das tatsächliche Entstehen derartiger Kosten ab. Das OLG Dresden führt insoweit zudem aus, dass es hinsichtlich dieser Bedingungen keine Wirksamkeitsbedenken gibt. Wer also einen Versicherungsschaden hat, muss sich vor dessen Geltendmachung mit seinem Versicherungsvertrag beschäftigen, um nicht Gefahr zu laufen, auf dem Schaden sitzenzubleiben.

RA und FA für Bau- und Architekten- sowie Versicherungsrecht Dr. Jörg Schmidt, Schwerin und Stockelsdorf b. Lübeck

Wer trägt die Beweislast bei der Rückforderung einer "Vorauszahlung" des Versicherers?

Auch wenn der Versicherer auf einen behaupteten Einbruchsdiebstahl oder Raub lediglich eine "Vorauszahlung" auf die Schadenssumme leistet, trägt er in einem Rückforderungsprozess die Beweislast.*)

OLG Dresden, Beschluss vom 14.01.2020 - 4 U 1245/19

BGB § 812 Abs. 1, § 814

Problem/Sachverhalt

Der Versicherungsnehmer (VN) behauptet, in seiner Wohnung ausgeraubt worden zu sein. Der Versicherer (VS) zahlt dem VN eine "Vorauszahlung" i.H.v. 10.000 Euro. Später geht der VS von einem vorgetäuschten Versicherungsfall aus und verlangt Rückzahlung. Der VN bestreitet einen vorgetäuschten Versicherungsfall. Für den Erfolg der Rückforderung kommt es auf die Beweislastverteilung an.

Entscheidung

Dem VS steht kein Anspruch auf Rückzahlung gem. § 812 Abs. 1 Alt. 1 BGB zu. Der VS kann nicht beweisen, dass der Versicherungsfall vorgetäuscht war. Die vom VS hierzu angeführten Indizien reichen nicht aus. Es bleibt zwar z. B. im Dunkeln, weshalb der VS den Notruf erst ca. eineinhalb Stunden nach dem Überfall abgesetzt hatte. Der VN ist allerdings schwerbehindert und hatte nach seinen Angaben Pfefferspray ins Gesicht bekommen. Deshalb ist der geschilderte Zeitablauf "nicht so unplausibel". Insgesamt kann der VS keine Indizien darlegen, die für das Gericht die Vortäuschung einer Straftat als wahr erscheinen lassen. Der VN hat für alle vom VS geschilderten Indizien eine "noch plausible" Erklärung. Der VS trägt jedoch bei Rückforderungen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er ohne rechtlichen Grund geleistet hat (vgl. BGH, Urteil vom 13.06.2001 - IV ZR 237/00, IBRRS 2001, 0158; OLG Hamm, Urteil vom 11.12.2009 - 20 U 67/09). Dabei kommen dem VS im Rückforderungsprozess anders als dem eine Raub- oder Diebstahlsentschädigung beanspruchenden VN keine Beweiserleichterungen zugute (BGH, Urteil vom 14.07.1993 - IV ZR 179/92, IBRRS 1993, 0444). Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der VS die Zahlung als "Vorauszahlung" bezeichnet hat. Selbst wenn dies ein Vorbehalt wäre, dann wäre er so zu verstehen, dass der VS seine Zahlung nicht als Anerkenntnis verstanden wissen und die Wirkung des § 814 BGB ausschließen wollte, er sich also die Möglichkeit offenhalten wollte, das Geleistete gem. § 812 BGB zurückzufordern. Ein so verstandener Vorbehalt hindert weder die Erfüllungswirkung nach § 362 BGB, noch verändert er die Beweislastverteilung im Rückforderungsprozess. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der VS ausdrücklich zu erkennen gibt, dass er sich zum Grund der an ihn gestellten Forderung noch nicht abschließend äußern möchte.

Praxishinweis

Grundsätzlich muss der VN, der Leistungen wegen eines Versicherungsfalls geltend macht, die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs beweisen (z. B. BGH, VersR 1992, 349). Der VN genügt seiner Beweislast schon dann, wenn er Tatsachen beweist, die nach ihrem äußeren Bild mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme der versicherten Sache gegen den Willen des VN schließen lassen (BGH, VersR 1995, 909). Will der VS den Anspruch nicht gegen sich gelten lassen, kommt auch ihm eine Beweiserleichterung zugute. Es genügt, wenn er Tatsachen vorträgt und im Bestreitensfall beweist, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Raub oder Diebstahl nur vorgetäuscht ist (vgl. BGH, VersR 1992, 999). Kann der Richter nach diesem System den behaupteten Diebstahl nicht feststellen, obliegt dem VN der volle Beweis. Hier hatte der VS jedoch 10.000 Euro gezahlt, ohne dabei einen ausreichenden Vorbehalt für die Rückforderung zu erklären. Also trug der VS die Beweislast für einen nur vorgetäuschten Versicherungsfall. Versicherer sollten also genau auf den Inhalt ihrer Vorbehalte achten.

RA und FA für Bau- und Architekten- sowie Versicherungsrecht Dr. Jörg Schmidt, Schwerin

 

 

Verkehrsunfall - Erstattung Rechtsanwaltskosten

Der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers kann verpflichtet sein, die Rechtsanwaltskosten des Geschädigten ersetzen, die dadurch entstanden sind, dass er von seinem privaten Unfallversicherer anwaltlich vertreten Versicherungsleistungen verlangt hat, obwohl sie den vom Unfallverursacher zu erbringenden Ersatzleistungen nicht entsprechen.

 

§§ 249 ff., 843 BGB a.F.

BGH, Urteil vom 10.01.2006 – VI ZR 43/05 = NJW 2006, 1065

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Sturmschäden am Dach – Wann ist die Elementarschadensversicherung leistungsfrei?



Die Elementarschadensversicherung ist nach § 6 Abs. 3 a) FEVB 2001 leistungsfrei, wenn sich das Schadensereignis bei natürlicher Betrachtung weniger als Elementarschaden, sondern überwiegend als die Verwirklichung eines im Gebäude selbst angelegten erheblichen Risikos darstellt und der Elementargewalt eher die Funktion eines letzten Auslösers zukommt.
Der Versicherer muss den Ausschluss-, der Versicherungsnehmer den Wiedereinschlusstatbestand nach § 6 Abs. 4 b) FEVB 2001 beweisen.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.09.2014 – 12 U 63/14

§ 6 Abs. 3 a), Abs. 4 b) FEVB 2001 (Allgemeine Bedingungen der Sparkassen Versicherung Gebäudeversicherung AG über die Feuer- und Elementarschadenversicherung aus dem Jahre 2001)

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Hausratversicherung: keine Entschädigung ohne Einbruchsspuren

Der Nachweis eines Einbruchsdiebstahls, bei dem keine Einbruchsspuren feststellbar sind, setzt voraus, dass nicht versicherte Begehungsweisen praktisch ausgeschlossen sind.

VHB (2002) § 5 Nr. 1

OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.09.2005 – 12 U 950/05

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